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Wie ich zum Gärtner wurde

Weshalb Garten? Ich? Ich denke niemand aus meinem näheren Bekanntenkreis hätte das je vermutet. Doch es sollte anders kommen. Nachdem mich ein jahrelanger Großstadtkoller verfolgte beschlossen wir bereits 2012 dass die Zeit in der Stadt vergänglich sein wird, oder sagen wir mal ich beschloss es. Meine Frau war noch zu überzeugen.

Heute würden wir beide für nichts in dieser Welt wieder in die Terrorzelle Hamburg zurückziehen. So schön die Stadt im Vergleich mit anderen Städten auch ist.  Luft, Licht, Weite sind die primären Defizite. Tausende sekundäre folgen.

Wir erwarben unser Grundstück im November 2014. Es hat etwa 5.000qm. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt in unserer Hamburger Innenstadtbude bereits einen Hund, einen Kaktus und Basilikum auf dem Balkon der mir leider immer einging.

REWE war glücklicherweise im Haus gegenüber, da gab es immer neue Töpfe mit Basilikum. Und Kakteen.

Und ich hatte einen Großstadtdaumen, grün war er nicht. Aber voller Affektion. Stadt eben.

So war ich u.a. auch der Annahme, dass wir den vorhandenen 1000qm Teich nach und nach mit Schaufel und Karre ausheben können. So blau waren meine Augen nie wieder.

 

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Der Garten bei Übernahme. Der verschlammte Teich ist übersät mit Zeigerpflanzen für extremes Nährstoffüberangebot, Kunststoff überall. Plastikschmetterlinge, Plastikenten, Plastikschirme, Plastiktröge. Der Blick aus dem Garten ist völlig zugewachsen.

Auf dem Grundstück, ein ehemaliger Landhof im Moor von Sommerland, befand sich ein im Ursprung sehr schön angelegter, parkähnlicher Garten. Der Bauherr unseres erworbenen Hauses hat diesen mit viel Leidenschaft angelegt, rund hundert Rhododendren und große Gehölze, ein Schwimmteich. Das muss so um das Jahr 1985 gewesen. Er verkaufte das Grundstück nach etwa 10 Jahren an den zweiten Besitzer. Leider wurde dann die Pflege des Grundstücks völlig vergessen oder ignoriert. Als wir das Grundstück übernahmen, war es ein völlig verwahrlostes Stück Land, wild verwachsen, ungepflegt und mit Schrott und Kunststoff übersät.

Leider waren die großen Gehölze nicht gepflegt worden und viel zu eng gesetzt, viele waren bereits krank und beinahe unbeastet.

Im ersten Frühjahr 2015 stellte ich mir die merkwürdigsten Fragen:

Wer braucht schon mehr als 2 Stunden Sonne am Tag? Muss man um den Teich laufen können?  Wieso sollten Laubmassen ein Problem für den Teich sein?

32 Bäume wurden entfernt, 19 davon waren über 20m. Seither schwirrt Wieland/Bode/Disko „Grün kaputt“ wie eine Axt über mir her. Es war ein Jammer aber nicht zu umgehen.

 

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Auf der linken Site im Vordergrund wurde ein „Biotop“ durch die Vorbesitzer hergestellt. Biotop nannten sie es, ein Wahnsinn. Bestand es doch aus 3 Lagen Kunststofffaserfolien, darauf 10cm Grobkies und nach Jahren ohne Pflege wuchsen dann sogar Lilien im Kiessubstrat. Im Hintergrund Plastikflamigos, ein Traum.

Kunststoff im Garten muss wohl das Wohlbefinden steigern. Beton auch. Und Kies. Und immer wieder Folie. Überall. Manchmal zweilagig, darunter und darüber. Und einmal Drumherum. Ich finde sicher noch empirische Studien die das belegen.

Natürlich trage ich bei der Gartenarbeit mein Lieblings-Shirt. Darauf steht „I Love Coniferales! Auch 2000 n.Chr. noch.

Heute habe ich dieses Hobby aufgegeben und mich von 46 Stück getrennt.

Mit den übrigen 3 spreche ich regelmäßig, auf Platt.

Garten im Moor muss man lernen. So habe ich z.B. Terrassen-Punktfundamente gesetzt, im 100er KG Rohr, 35 Stück. Nächsten morgen waren alle weg. Das Moor hat sie zu sich geholt. R.I.P. Einfach versunken.

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Auf den ersten Blick lässt sich Romantik vermuten, beim zweiten wurde mir ganz anders. Auch hier wieder Plastikbüsten, Plastiktöpfe und der romantische Rasenmähroboter. Beeteinfassungen aus Betonstein, ein Traum von gärtnerischer Raffinesse. Dies war die einzige Fläche mit etwa 5 Stunden Sonne. Immerhin.

Vermutlich steht deshalb unser Haus auf 25m langen Betonpfählen, hätte ich auch vorher drauf kommen können.

Sehr alte Rhodobestände, durchtrieben von Illex und Taxus waren sie kaum zu retten. Überall schossen Sprößlinge der Weiden, Eschen, Erlen und Ahorne empor, hunderte Stück. Zu groß um sie noch mit der Hand ziehen zu können. Strafarbeit mit Spaten. Und Bier.

Nein, die Vorbesitzerin litt wohl nicht an Soziophobie, sie mochte „einfach so“ nicht gesehen werden. Vielleicht war sie kurzsichtig und interessierte sich nicht für den Blick ins Freie.

Zulange auf eine grüne Wand sehen muss wohl Augenkrebs verursachen, davon bin ich überzeugt.

Verwunschen wäre wohl eine Beschreibung des vorgefundenen Gartens. Bei näherem Kennenlernen verwendete ich lieber das Wort verhext, es traf es mehr.

Der Teich glich einer Jauchegrube und blubberte und stank vor sich hin, er führte noch etwa 20cm Wasser.

Er wurde mit schwerem Gerät ausgehoben, bis etwa 150cm Wassertiefe. Wir nutzen ihn heute als Schwimmteich. Teich ist ein ganz eigenes Hobby, was längst nicht jeder Gartennerd teilen kann.

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Konifeeren, Tannen, Koniferen, Tannen…. Buxus. Dieser Rhythmus überwiegt den gesamten Garten. Links im Hintergrund der mit einem Plastikfoliendach so wunderbar platzierte Pool. Es wurde alles entsorgt. Auch die reizvollen Deko-Ideen der Vorbesitzer, sicherlich echte Hingucker.

I Love it. Nur Koikarpfen verbiete ich mir. Sonst fange ich auch noch mit Kiesbeet und Thuja an. Als wir den Teich in 2015 ausbaggerten und soweit wie möglich abpumpten lief dieser wieder innerhalb von 3 Tagen voll (Grundwasser/ Naturteich) Anschließend war das Wasser für einige Tage sehr klar.

Beinahe ein Bergsee, vielleicht eine Forellenzucht? Die erste in einem Moor.

Eine einsame und ausgewachsene Karausche zog darin ihre Runden, es muss sich scheinbar um eine äußert robuste Unterart gehandelt haben. Oder sie besaß ein Schnorchelset.

Die größten Bewohner heute sind 4 Spiegelkarpfen, sie heißen Kai-Uwe 1-4 nach dem Landwirt hinter dem Haus. Das Wasser ist der Lebenspuls des Gartens. Ein Wahnsinn was hier zu Besuch kommt. Eisvögel, Reiher, Jungfern, Amphibien etc. Gestern waren Kraniche hier. Weißstorchnest nebenan. In der Lärche nistet ein Kauzpaar. Der Kiebitz ist regelmäßiger Gast. Ich finde Fledermäuse faszinierend. Ganz Wunderbar.

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Auch die Terrasse bestand aus Betonstein und Kunststoff. Man beachte die Vögel auf den oberen Fenstern. Leben im Mausoleum. Tannen, Konifeeren, Buxus, Tannen, Konifeeren, Buxus etc. Als Zwischengabe Metallschrott und Kunststoffmüll.

Viele Flächen wurden durch die Vorbesitzer als Grobkiesflächen mit Vlies darunter angelegt. Natürlich waren Sie längst völlig verwuchert.

Entsorg mal 30 t Kies 16-24mm! Mehr Bier.

Die Hütten und Verschläge mussten bis auf eine neuere alle raus. Eigentlich war alles Schrott. Heute weiß ich es besser, habe ich beim Erwerb doch keinen Schimmer gehabt.

Und was waren das für schöne Feuer wenn die Hütten sich verabschiedeten.

Manchmal wünsche ich Sie mir, die Million. Ich würde nur noch zusehen, den Spaten würde ich verkaufen. Denn ich mag Sehnenscheidenentzündung nicht.

Betonplatten und Waschbetonflair auf den vorhandenen Wegen, Unduline und Dachpappe in Rollen hinter jeder Hütte, Bauschutt wurde immer öfter ausgegraben. Wir haben Containerweise Müll abgefahren den ich vorher nicht einmal geahnt habe.

Unsere geliebte Trauerweide hat sich im Herbst 2017 verabschiedet, ein Sturmopfer. Manchmal möchte ich heute noch weinen.

Viele Bäume mussten damals raus, ein Konzept und vor allem Wissen musste her.

Kakteen und Basilikum waren längst vergangen.

Also kaufte ich mir eine Bibliothek. Und Rotwein. Und freute mich auf den Winter…und er war lang. Heute erwerbe ich mein Wissen in Teilen noch immer aus Fachmagazinen und Büchern, ich kaufe sie mir immer wenn ich darüber stolpere und verschlinge Sie dann im Winter vorm Kamin. So trage ich mein neu erlangtes Hobby mit in die graue, kalte Jahreszeit und freue mich über die Erfahrungen und das Wissen anderer.

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Unser Großstadthund Dieter. Er wußte nicht so recht was er mit soviel Freiraum anfangen sollte. Erstes Frühjahr im neuen Heim. Im Hintergrund wieder Dekomüll in Massen.

Aber ich tausche mich auch viel mit anderen aus, besuche Gärten und durchstöbere das Arsenal aller mir zu Ohren kommenden Staudengärtner. Kaufte ich Anfangs noch in klassischen Verkaufsgärtnereien so beziehe ich heute meine Pflanzen nur noch direkt beim Produzenten. Hier lagert auch das große Wissen, werden Gespräche geführt welche mich entzücken und mein Wissen erweitern. Auch bin ich mittlerweile Mitglied eines Vereins für Stauden und Sortimentsentwicklung. Ein kleiner Verein mit etwa 100 Mitgliedern. Ein bunt gemischter Haufen Garten- und Landschaftplaner und -architekten, Staudengärtner, Garten- und Landschaftbauer, botanischer Lehrkräft, Autoren der Fachliteratur etc. Ein europäischer Haufen. Man trifft sich locker zweimal im Jahr zu Tagungen und bereist interessante Ecken in Europa. Als Autodidakt geht nicht viel mehr.

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