Da war sie nun, die erste Sommerexkursion mit Perenne e.V. Die Einladung kam reingeflattert und ich buchte. Slowenien? Wo war das noch, ehemaliges Jugoslawien? Wir werden sehen. Einfach machen.
Es sollte eine fünftägige Rundreise durch das kleine Land werden. Anfang August gings los. Flug von Hamburg über München nach Ljubljana. Ab München mit einer Bombardier über die Alpen, in den kleinen Fliegern ist eine Reise auch etwas, zumindest für mich, Besonderes.
Gastgeberin und Organisatorin der Exkursion war Bernarda Strgar-Schulz, sie lebt und arbeitet in Ljubljana und betreibt dort eine Staudengärtnerei sowie ein Planungsbüro. Sie hat zuvor in Deutschland gearbeitet und am Londoner College of Garden Design studiert. Eine fantastische Frau, Slowenin, ich lachte mich regelmäßig in einen Rausch. Wunderbarer Humor.
Es war heiß, in Ljubljana müssen so um die 35 Grad gewesen sein, bei uns im Norden war es allerdings nicht anders. Die Hitze hatte uns die letzten Tage bereits heimgesucht.
Ich wusste noch immer so viel oder wenig über das Land wie zum Zeitpunkt der Buchung, exakt fast gar nichts. Nicht wie groß, nicht wo genau es liegt. Es gibt alpine Regionen und einen Adriastrand. Mehr nicht. Einwohnerzahl? Keine Ahnung. Das sollte sich natürlich ändern.
Gepäck abgestellt und ab in die City. Lass mal gucken dachte ich. Und wums, ich war verliebt. Diese wunderschöne Stadt, stilvoll, Wasserwege und Brücken gaben sich die Hand.
Ich nannte die Stadt in einer Nachricht an einen guten Freund das Havanna von Europa.
Es traf es. Kleine Gassen, inhabergeführte Geschäfte, viel Handwerkskunst, liebevoll. Überall spielte Livemusik, die Menschen tanzten einfach auf der Straße, Tango und Samba.
Keine Ketten, kein H&M und Co. Eine Studentenstadt voller junger Leute. Man wurde mit einem Lächeln begrüßt, es war ein wunderbarer Start.
Es waren etwa 30 Personen des Vereins angereist, ein bunt gemischter Haufen den das Interesse der Pflanzenwelt einte. Wir trafen uns am ersten Abend und starteten eine geführte Stadterkundungstour, anschließend wurde zusammen gegessen, ein reizendes kleines Restaurant etwas abseits dem Trubel.
Der 2. Tag. Die Organisatorin Bernarda hatte ein strammes Programm aufgestellt. Wir starteten mit einer Stadtführung und besichtigten öffentliche Mischstaudenpflanzungen. Alles Anlagen welche Bernarda mit viel Überzeugungsarbeit der Stadtverwaltung angelegt hatte. Slowenien ist noch kein Land mit einer Gartenkultur wie wir sie bei uns kennen. Gärten sind reine Nutzflächen.
Ist Kies wirklich die bessere Alternative zu einer Pflanzung?
„Stauden? Welchen Nutzen bringen sie uns?“
Oft muss Bernarda dagegen ankämpfen, Respekt vor Ihrem Vorhaben. Öffentliche Flächen waren doch seit jeher mit Annuellen bepflanzt worden.
Üppige Farben strahlten von diesen Jahrespflanzungen dem Betrachter entgegen. Das war es was hier gewünscht war. Sie erzählte von einer von Ihr angelegten Fläche vor einem Amtsgebäude. Nachdem sie die Pflegekräfte der Stadt nach und nach in das Thema der Staudenpflege eingewiesen hatte kam sie nach nicht mal einem halben Jahr an der Fläche vorbei.
Eigentlich sollte das Beet jetzt die Prachtzeit erreicht haben aber es kam anders.
Es gab keine Stauden mehr. Ein hochrangiger Mitarbeiter der Stadtverwaltung hatte sich die Pfleger geschnappt und die Fläche erneuern lassen, mit Annuellen. Wie gesagt, Respekt vor Ihrem Kampf für die Stauden in diesem Land. Es gab noch so viele Geschichten zu diesem Thema. Sie konnte einem tatsächlich etwas leid tun.
Weiter ging es mit dem Bus zur Faculty of Agronomy, Versuchsflächen besichtigen. Studierende, Prof. Jerneja Jakopic und Prof. Valentina Schmitzer führten uns und erläuterten die Anlage.
Die Staudenbeete waren in jämmerlichem Zustand, vielleicht eine Fläche von 30qm. Wobei die Gemüse- und Obstversuchsflächen mindestens das hundertfache ausmachten. Auch hier war die Gartenkultur des Landes deutlich zu erkennen.
Weiter gings ins Arboretum Volcji Potok in Radomlje. Eine 85ha große Anlage, der meist besuchte Park des Landes.
Auch hier wenig Stauden, dafür Annuelle und vor allem die Tulpenblühte waren die Aushängeschilder des Parks. Im Hochsommer also beachtliche Rasenflächen. Wir wurden begleitet von Dipl. Ing. Melita Mis Strgar, einer Universitätsdozentin und Angestellten vom Arboretum.
Mitten im Park wurde ein Catering arrangiert. Es war toll. Wie lange hat Bernarda bloß für die Organisation dieser Reise benötigt?
Am frühen Abend besuchten wir die Staudengärtnerei von unserer Gastgeberin. Natürlich übernahm sie die Führung, berichtete von ihrer Geschichte und vielmehr der Geschichte ihrer Staudengärtnerei und Ihrem Planungsbüro.
Und sie erzählte vom Gegenwind in ihrem Land. Sie erhielt wohl genug davon.
Wieder wurden wir vor Ort verköstigt. Bernarda hatte eine Mitarbeiterin und natürlich hieß sie auch Bernarda. Sie brachte uns hausgemachten Kuchen mit, von Muttern. Es war alles bis ins Detail geplant und uns fehlte es an nichts.
An diesem Abend wie an den meisten war nichts geplant, wir gingen in kleineren Gruppen in die Innenstadt, erst ein Restaurantbesuch und dann noch auf ein bis zwölf Drinks in eine Bar. Ich hatte so Lust auf mein Bett.
Am dritten Tag sollten wir eine Exkursion auf den Mount Porezen unternehmen, der höchste Berg der slowenischen Voralpen, es waren knapp 2000 Höhenmeter zu ersteigen. Alleine die Busfahrt zum Startpunkt am Fuß des Berges war beeindruckend. Ein wunderschönes Land.
Die Heuwiesen, voll mit den Fruchständen von Veratrum album.
Eupatorium maculatum an einem seiner Naturstandorte.
Die Exkursion auf den Berg wurde von Dr. Joze Bavcon vom botanischen Garten Ljubjana und seiner Kollegin Dr. Blanka Ravnajk begleitet. Sie erläuterten die Pflanzenwelt des Berges.
Dies war für mich der beeindruckenste Tag der Reise. Auch deshalb, weil aus dem „leichten Wandern“, so wurde es angekündigt, eine doch eher als Bergsteigertour bezeichnenswerte Exkursion wurde.
Da ich nicht regelmäßig den Ironman mitlaufe kam ich hier, wie einige andere auch, an meine Grenzen. Auch an diesem Tag, wie an allen anderen auch, durchgehender Sonnenschein und deutlich über 30 Grad.
Veratrum album, Panicum virgatum und vieles mehr konnte man entdecken.
Auf dem Gipfel angekommen wurden wir auch hier verköstigt. Und immer waren es traditionell slowenische Speisen. Während wir den beeindruckenden Blick über die Berglandschaft genossen, aßen wir. Ein wundervoller Moment, auch weil die Akkus echt leer waren als ich oben ankam.
Carduus defloratus, eine echte Schönheit.
Wunderschön. Eryngium alpinum strahlt metallen hervor.
Der auch bei uns heimische Salvia glutinosa.
Abstieg und Rücktour ins Hotel, Restaurant, Schnaps dann Bett.
Am Samstag, dem 4. Tag der Reise besuchten wir eine weitere der rar gesäten Staudengärtnereien, Trajnice Carniola.
Sie befand sich ebenfalls in Ljubljana und war das Werk von Matic Sever, einem Autoren und begeistertem Staudenliebhaber.
http://www.trajnice-carniola.com
Anschließend ging es wieder mit dem Bus nach Maribor, die zweite größere Stadt des Landes, Weinregion, Skigebiet, Wunderschön.
Wir besuchten den botanischen Garten von Maribor und wurden von Meta Sepic geführt. Sie war die federführende Kuratorin des Gartens.
Hier konnten dann erstmal größere Staudenpflanzungen entdeckt werden.
Auf der Rückfahrt kehrten wir auf einem Landgut ein. Ein Biohof in Familienbesitz, ein 3 Generationenhof.
Das ist ja was für mich. Ich und BIO, echte Freundschaft. Allerdings war es ein unglaublich schöner Hof, liebevoll ausgestattet und es gab tolles Essen.
Natürlich wurde noch ein Souvenir im zugehörigen BIO-Laden gekauft. hier gab es nur eigens hergestellte Produkte, ein wahnsinnige breites Sortiment an Ölen, Kräutern, Tees und allerlei anderem.
Anschließend brachte uns unser Bus zu einem Privatgarten mit angegliederter Gärtnerei, er gehörte Gorazd Mauer. Der Garten lag an einem steilen Hang mit unglaublichem Blick über das angrenzende Tal. Ein Sammlergarten mit echten Schätzen.
Der Busfahrer hatte echt zu kämpfen, eckte er doch hier und dort schon an. Ein Blick durch den Bus verriet, dass einige der Passagiere bereits die Hosen voll hatten.
Eigentlich sind Sammlergärten nicht meins. Die vielen Schilder und die Kleinstgewächse überragen mein Verständnis eines Gartens. Dieser jedoch beeindruckte mich sehr. Der Besitzer hatte die Pflanzen im Austausch mit anderen Botanikern aus der ganzen Welt zusammengetragen. Das Weinbauklima erlaubte ihm hier echte Exoten zu halten. Der Winter war meist trocken, die Lage mit Südausrichtung durch den Berg von der Wetterseite geschützt.
Ein etwas schräger aber sehr liebenswerter Sammler, ähnlich exotisch wie seine Sammlung. Er ist bei Youtube zu sehen wie er Vorträge über seine Sammlung und botanische Besonderheiten hält. Köstlich.
Der Tag ging mit einem Abendessen auf dem Schloss von Ljubljana zu Ende. Ein beeindruckendes Monument aus dem 11.Jahrhundert, durch einen talentierten Architekten modernisiert. Es ist das wichtigste Wahrzeichen der Stadt.
Sehr gutes Essen und noch besserer Wein sollten den letzten Abend unvergessen machen. Das Ambiente und der Blick über die in der Dämmerung versinkende Stadt ist einzigartig.
Am letzten Tag, dem Tag der Abreise, besuchten wir dann den botanischen Garten von Ljubljana.
Dr. Blanka Ravnjak, wir kannten ihn schon vom Bergsteigerevent, führte uns durch sein Reich der Samensammlung.
Da alle Vereinsmitglieder aus den verschiedensten Ländern angereist waren, mussten die ersten sich nun bereits auf den Heimweg machen. Für die anderen ging es noch in das Haus des für Ljubljana prägenden Architekten Jose Pleznik der bereits in den 1960er Jahren verstarb und die Stadt deutlich mit seinen Arbeiten geprägt hat.
Die Führung durch sein Haus und etwas auch durch sein Leben war es allemal wert.
http://www.mgml.si/en/plecnik-house/
Und wieder dezimierte sich die Gruppe, weitere Verabschiedungen folgten. Da mein Flug erst am frühen Abend ging blieb ich mit einer kleinen Gruppe zurück, ein Lunch sollte noch folgen.
Dann war die Zeit der Abreise gekommen. Erst Hotel, dann Flughafen, dann Scheiße. Einchecken war online bei Adria Airways nicht möglich, also ab zum Schalter. Flug überbucht. Peng.
Und nu? Business ging noch, also Upgrade erworben. Geschafft dachte ich. Nö.
Der Himmel brach auseinander. Ich stand schon am Gate als ein fettes Unwetter uns heimsuchte. Der Rückflug ging auch wieder über München, dort hatte ich etwa 1 Stunde Aufenthalt, die Zeit wurde also knapp. Irgendwann war klar dass ich den Anschlussflug nicht mehr bekommen würde. Juchu.
Mit 2 Stunden Verspätung ging es dann nach München. Allerdings war es bereits 20.00Uhr. Ab zum Lufthansaschalter, welche Maschine kann mich noch mitnehmen?
Es waren am Nachmittag noch 2 Flüge München-Hamburg ausgefallen, wie passend.
Auch die noch folgenden Flüge also allesamt randvoll, „Warteliste“ war das am häufigsten genutzte Wort der netten Dame hinter dem gelben Tresen. Mist, die Umbuchung sollte auf Montagmorgen fallen. Aber siehe da, ich hatte Glück.
Durch mein Upgrade gab es dann auch hier noch einen Platz vorne im Flieger. Der Letzte. Ich konnte nach Hause. Um kurz vor Mitternacht schloss ich meine Haustür auf. Was für eine beeindruckende Reise. Mit allem was dazu gehört. Werde ich wohl nie vergessen. Danke Slowenien, Danke Bernarda.