Am vergangenen Wochenende nahm ich an einer Vortragsreise in der Bildungsstätte Gartenbau in Grünberg teil. Eine von der Zeitschrift „Garten Praxis“ organisierte Reise. Natürlich war der Schwerpunkt der Vorträge das Thema der Stauden. Ein unglaublich tolles Wochenende, tolle Referenten. Das „Who is Who“ der deutschen Gartenszene.
Bettina Jaugstetter stellte auch einige Ihrer Projekte vor. Sie brachte eine gehörige Portion Humor mit. Zum Abschluss Ihres Vortrags berichtete sie aus Ihrem Privatgarten in der Nähe von Weinheim. Aus Ihren Erzählungen ging hervor, dass sie die Lebensgefährtin von Cassian Schmidt ist. Er saß natürlich auch bei den Referenten.
Sie erzählte, dass er es immer wieder fertigbringt, vom Einkauf aus dem Supermarkt Pflanzen mitzubringen. Ich musste in mich hineinschmunzeln. Der botanisch so versierte Herr Schmidt kauft also Blümchen im Supermarkt. Und ich verstehe es sogar.
Normalerweise jagt er im Iran und im Kaukasus seine Pflänzchen, durchkämmt die nordamerikanische Prärie und bringt sein Wissen mit in den Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof den er seit 20 Jahren leitet, einer dem ich es nicht zugetraut hätte die Stiefmütterchen bei Edeka zu kaufen.
Ich schmunzelte, da auch ich mir gerade bei Supermärkten gerne mal die Pflänzchen ansehe. Warum? Weil hier der moderne Spiegel der Gärtnergesellschaft zu finden ist.
Hier findet man die verrücktesten Pflanzen. Neonfarbende Kakteen, panaschiertes Basilikum und Gräser, die dermaßen leuchtendes Laub besitzen, dass man mit Ihnen den Keller belichten könnte. Im Frühjahr gibt es neueste Hornveilchenzüchtungen zu bestaunen, Heide im Herbst, Amaryllis und Weihnachtssterne (Euphorbia pulcherrima) zu Weihnachten. Und immer sind es die verrücktesten Züchtungen. Blaue Blätter, Grüne Blüten, Rote Wurzeln.
Nun war ich gestern bei Sky einkaufen. Vor der Tür standen einige Ericaceae, Heide ist eben schick im Herbst. Ein Pärchen stand mit einigen wenigen eingekauften Artikeln, ich nenne es bewusst nicht Nahrungsmittel, davor und Muttern schien ziemlich begeistert.
Anhand ihres Einkaufs konnte man ein wenig auf deren Horizont schließen. Die lütte Tochter, ich schätze sie auf 7 oder 8 Jahre, hatte bereits die Cola geöffnet und kaute wild auf Jelly Bellys herum.
Muttern trug TK-Pizza unterm Arm und Vadder Kroketten und ein Sixpack Cola. Beide Eltern hatte sich bereits noch während die vollautomatische Tür sich hinter ihnen verschloss ne Kippe angesteckt. Eine Vorzeigefamilie sozusagen.
Und dennoch hatte des der botanische Kreis geschafft, dass sie sich für Pflanzen interessieren? Wohl eher nicht, aber sie wurden magisch von den Erika angezogen. Und ich weiß auch weshalb: Sie waren alle neonfarbig.
Neongrün, neonrot, neonblau und neongelbe Blüten zierten diese vergewaltigten Pflanzen.
Aber auch die Garten- und Landschaftsarchitekten sind nun eben nicht geschützt, die verrücktesten Stauden zu erwerben. Ich erinnere mich an einen Besuch einer Gärtnerei in Slowenien. Die gefühlte Hälfte der Vereinsmitglieder, alles Fachleute im weitesten Sinne, griffen bei Origanum „Amethyst falls“ zu. Ein mit Pendelblüten ausgestatteter Oregano. Auch so eine Pflanze die durchaus bei Edeka oder Aldi vor der Tür einen Umsatzgarant wäre. Ist das nun verwerflich? Ich finde nicht.
Insbesondere die zuvor genannte Neonfraktion erhält immerhin Zugang zur Welt der Pflanzen. So habe ich Hoffnung, dass deren Tochter zumindest erfährt, dass es Pflanzen auf unserem Planeten gibt.
Vermutlich wird die Bundesgartenschau 2047 fluoreszierende Gartenbilder hervorbringen. Die Ausstellung wird erstmal nur nachts geöffnet haben um den Effekt zu verstärken. Ab 2089 sprechend die Pflanzen dann mit uns bevor sie uns 2185 den Rang abgelaufen haben.
Jeder muss eben selbst entscheiden, was Ästhetik für ihn ist.