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Der Erdfriseur hat Saison

Schon mal den Erdfriseur oder auch Mulchbarbier beim Kämmen ertappt?

Man sieht sie zur Zeit wieder häufiger. Aufwendig und professionell verkleidet hüpfen sie vor und im Garten umher. Die modernen Vertreter dieser Zunft tragen einen farblich abgestimmten Zweiteiler, einen neonfarbenen Hörschutz und neuerdings auch immer häufiger eine Warnweste.

Bewaffnet sind sie häufig mit Schubkarre und Schaufel. Und dem wichtigsten: Ihrem Rechenbesen. Klassisch aus Metal, mit Verstellbügel um die Frisur der Umgebung anzupassen. Heute auch beliebt ist die Version aus Kunststoff. Hellblau bei Gardena und rot-gelb bei Wolf-Geräten.

Ich stand neulich mal wieder in der Rush-Hour und tippelte mich langsam aus der Stadt heraus. Natürlich nutze ich die Zeit um aufzunehmen, was um mich herum alles passiert. Es ist verrückt. Wenn man mal ganz gezielt darauf achtet, hat jeder zweite Vorgarten bereits eine flotte Herbstfrisur erhalten.

Ich habe die Profis bei der Arbeit beobachtet und konnte mir ihr Kunsthandwerk etwas abschauen: Erst wird die Hecke nochmal auf Vordermann gebracht. Einen Winterschnitt verpasst, damit Mutti ihre Lichterketten darin aufhängen kann.

Und natürlich, und das ist ganz besonders wichtig, damit alles schön sauber aussieht. Gepflegt würde der Fachmann sagen, damit Hans der Nachbar auch nichts zu meckern hat.

Nachdem die Kleingehölze und Hecken schier sind kommt der eigentliche Clou: Das Frisieren und Kämmen.

Dabei wird fein säuberlich als erstes jegliches Unkraut entfernt. Oft wird dabei auf eine in das Auge geklemmte Uhrmacherlupe zurückgegriffen. Profis nennen das Hilfswerkzeug einfach Krautlupe oder Feindlinse.

Jedes noch so kleine Grashärchen wird enttarnt und gnadenlos unter Hinzunahme einer kleinen Handschaufel herausgestochen und mit einem Zufriedenheitslächeln im Gesicht in die Schubkarre geschnickt.

Wenn dann nach dem dritten Kontrollgang kein Feind mehr versucht, den Vorgarten zu besiedeln, gehts los.

Das Laub wird zusammengekämmt. Anfangs noch ganz willkürlich um die Masse erstmal zu bändigen. Beim nachkämmen wird dann ganz nach deutscher Manier fein säuberlich nur noch in eine Richtung gekämmt.

Schön gerade, man kann die kleinen feinen Rillen gut erkennen. Unter den Weltmeisteranwärtern werden noch einige Tricks angewandt: Die Erdoberfläche, der Sand oder die Mineralmulchschicht  wird äußerst vorsichtig befeuchtet.

Echte Spezialisten gehen soweit, dass sie hierfür eigens eine Rückenspritze angeschafft haben. Diese wird mit einem Wasser-Zuckergemisch befüllt, das Mischverhältnis bleibt stets geheim.

Die Feuchtigkeit lässt sich besser Kämmen, die Struktur fällt nicht so schnell wieder zusammen. Und der Zucker verklebt die Oberfläche beim Abtrocknen. Muss man erstmal drauf kommen, diese Spitzbuben.

„Kare san sui“ könnte bayrisch sein, ist jedoch der japanische Gartenstil dem diese Idee entlockt wurde. Nur damit hat das Ganze sicher nichts zu tun. Für Philosophie, das garantiere ich, fehlt die entsprechende Region im Gehirn dieser Kameraden.

Und jetzt, ganz zum Schluss, kommt das Highlight.

Um die einzelnen Gehölze, gerne Buxuskugeln oder Vergleichbares, wird ein vom Stamm angesetzter Kreis gezogen. Die Kunst ist, dass man beim Schließen des Kreises exakt die Struktur des Ansetzens trifft. Auf Zehenspitzen stehend, damit das Bild nicht beschädigt wird, sieht man den Künstler den Kreis langsam schließen und dann, wie aus dem Nichts, hüpft er gekonnt wieder auf den zuvor sauber gekratzten Gehweg zurück, verwischt seine Spuren des Zehenstandes, stützt die Arme in die Hüften und bekommt diesen Ausdruck.

Ein Siegerlächeln macht sich breit, komplett zufrieden steht er da. Nun kann er beruhigt in die Garage gehen, Schrauben sortieren oder wer weiß was ordnen.

Im Frühjahr gibts Blaukorn als Nahrung für die Pflanzen. Fein säuberlich in Bahnen ausgebracht versteht sich. Und dann erzähl ich vom Austriebsfön. Damit die Kleinen Blättchen auch alle in eine Richtung wachsen.

Warum hat Mama diesen Jungs und Mädels bloß keine Sandkiste gekauft? Vielleicht wäre uns dadurch vieles davon erspart geblieben. Vermutlich war Mama auch schon so drauf. Und deren Mama auch. Die können nichts dafür, die armen.

Einen Tag darauf stehen exakt gleichmäßig gefüllte Kunststoffsäcke an der Straße, in einer Reihe die sicher mit der Richtschnur kontrolliert wurde. „Laubsäcke“ steht drauf. Manchmal verfluche ich deutsche Tugenden.

Es ist echt zum Heulen.

 

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